Markus Baersch

Analytics · Beratung · Lösungen

Start » Blog » Google / Usability / Webtools

29.05.2009

Nun heißt das Ding also "Bing". Microsofts neue Suchmaschine und (erstmal sicher "endgültiger") Ersatz für die [MSN-]Live-Suche wird, nach allem was es zu Lesen und im unter bing.de hinter dem Button "Find out more" verborgene Vorschauvideo zu sehen gibt, wohl mehr Usability für Suchmaschinenbenutzer mitbringen. Und natürlich viel intuitiver zu bedienen sein. Einfacher zum Ziel führen. Schneller sein. Mehr Spaß machen. Und so weiter.

Zugegeben: Es sind ganz bestimmt auch einige Dinge dabei, die der eher erfahrene Webnutzer als sehr praktisch einstufen wird. Und es ist auch ein Schritt nach vorn für eine Suchmaschine, die offenbar ein wenig den Anschluss an die natürliche Evulution im eigenen Markt verpasst zu haben scheint. Denn: Vergleicht man die Ergebnislisten von Google (Yahoo dieses eine Mal ausnahmsweise nicht betrachtet) von ... sagen wir mal: vor zwei Jahren und heute, so hat sich da schließlich auch einiges getan: Es ist mit

  • SearchWiki (den "eigenen" Trefferlisten und Kommentaren) und Google Suggest (den Vorschlägen für Mehrwortsuchanfragen, die so manchen SEO derzeit zur Weißglut treiben) webzwonulliger
  • Je nach Suchanfrage mit passenden News, Blogposts, Bildern oder Videos (oder einer Mixtur) universalsearchiger in den Ergebnislisten
  • Merklichen Verbesserungen in der Behandlung von Schreibfehlern "verzeihender"
  • "Rich Snippets" (durch entsprechende Auszeichnung bestimmter Informationen auf den Seiten die Snippets in den Ergebnissen beeinflussen) sogar bald webdreinulliger 

geworden. Google Maps, Earth, Mail, Reader, Pfeffer und Salz funktionieren auch alle mehr oder weniger immer "einfacher", ohne dabei - von freilich Werbung abgesehen - besonders unübersichtlich zu werden und wer wie früher weiter arbeiten mag, kann die Änderungen zumeist einfach ignorieren. Mit Analytics, Webmastertools, Mail und AdWords gönnt man sich derzeit zwar gern hier und da Updates in der Bedienoberfläche einzelner Tools, die unbestritten dadurch nicht nur besser aussehen, sondern teilweise auch echte Verbesserungen der Bedienbarkeit, Effizienzsteigerungen oder nützliche neue Funktionen mit sich bringen... aber das sind nicht die Suchergebnisse, sondern "Nebenkriegsschauplätze". Möglicherweise werden auch andere Tools noch nachziehen, aber einen grundsätzlichen Schwenk Richtung "Applikationsähnlichkeit" für die Suchmaschine, wie er bei Bing nun meiner Meinung nach ansteht, wird es bei Google sicher nicht so einfach "in einem Schritt" geben. Unabhängig davon, ob hier vielleicht ein wenig mehr AJAX in die Trefferliste kommt oder nicht: Die SERPs bei Google werden sich wohl eher eine unauffälligere und sanfte Evolution aufweisen und das ist möglicherweise auch gut so. Braucht der Suchmaschinennutzer wirklich ein "Vollwert-RIA-Bing", wenn er Informationen im Web sucht?

Klar, ich mag die Features, die mir im Bing-Video vorgestellt werden und finde es auch praktisch, wenn die Ergebnisse mehr oder minder intelligent und optisch ansprechend als Navigation "gruppiert" werden... aber ich brauche sie vermutlich nicht. Und ich vermute, dass es eine große Anzahl von Benutzern außerhalb der Web-2.0-Gemeinde gibt, die sich mit der Bing-Oberfläche schwer tun werden. Der Anteil der User, die nach der Eingabe eines Suchbegriffs bei Google an der Navigation oder allgemeinen Bedienung der gefundenen Webseiten scheitern, ist mit Bing vielleicht schon damit überfordert, die Suchmaschine selbst selbst zu bedienen. Oder einen Großteil der (ernsthaft) tollen neuen Features überhaupt wahr zu nehmen (wenn man sich mal anschaut, wo im Allgemeinen überhaupt die Aufmerksamkeit bei der Suchmaske und den Ergebnissen einer Suchmaschine hinfällt). Ich teile zwar die Einschätzung, dass man mit den ganzen Verbesserungen, die Bing gegenüber den vor einiger Zeit offenbar evolutionstechnisch fast stehen geblieben Live-Suche mit sich bringt, nun besser aufgestellt ist, als vorher. Und zweifelsfrei auch "konkurrenzfähiger" sein wird; besonders in einer nicht zu unterschätzenden Zielgruppe. Aber für die "BestAger", "Pro-, Power- und BusinessUser",  "Seltensurfer" & Co, die die Masse der täglichen Suchanfragen absetzen, wird das vermutlich eher nichts werden und das weiß man bei MS sicher auch. Es wollte ja bestimmt ohnehin kein realistisch denkender Stratege auf diesem Weg einen ernsthaften "Google-Killer" aus dem Hut zaubern, sondern es sollten offenkundig "nur" die Dinge, die man in den letzten Jahren ein wenig verpennt hat, bei Bing nachgeholt werden. Und dabei kann man ja direkt (mal wieder) ein neues Gesicht erfinden und einige der neuen hauseigenen hippen Technologien unterbringen. Was die Qualität der Suchergebnisse angeht, so werden wir sehen, ob es große Unterschiede zur LiveSearch, Yahoo oder Google geben wird... aber das war auch bisher nicht der Grund, warum sich die Marktanteile verteilen, wie sie es nun mal tun. "Google Classic oder iGoogle?" scheint da viel eher die Frage zu sein, die man sich stellt, wenn man zwischen schlichter und informativerer Oberfläche wählen will, nicht "Bing oder was anderes?". Wird Bing mich oder andere "hauptsächlich-Googler" also zu einem "treureren" MS-Suchanfragensteller machen, als man  es derzeit vielleicht ohnehin schon ist? Warum sollte man überhaupt damit rechnen, dass sich wesentliche Anteile in der Nutzung der Suchmaschinen ändern, nur weil es einige neue gibt oder etablierte Anbieter Veränderungen implementieren? Mir erscheint es vielmehr, als würde dieser Krieg ohnehin auch (oder gerade) hier nicht auf funktionaler Ebene, sondern im Marketing und der Brand- und Imagepflege entschieden. Also wieder nix mit dem großen Schwenk zu einer anderen Suchmaschine. Wie immer. Nicht falsch verstehen: Sicher werde ich irgendwann mal in der Zukunft (wenn es prima funktioniert) bei Wolfram|Alpha die Lottozahlen des kommenden Wochenendes abrufen und mich freuen, dass ich das Ergebnis bekomme, ohne noch irgendwelche Links anklicken zu müssen - aber das ist ja bekannterweise weder Absicht noch Sinn von Google oder Bing. Auf einer Ebene jenseits von zusätzlichen Funktionen bleibt Bing ein Pendant zu Google, dass einen grundsätzlich anderen Ansatz verwirklicht, um "bestmögliche Userexperience" beim Suchen und Finden zu bieten: KISS (gepaart mit einem durch den einzigen Monetarisierungszweck bedingten "Klick this Ad, Dude!" - Beigeschmack) bei Google und "Woah!/Impress" bei Microsoft. Also eigentlich nichts Neues 😉

Update 3.5.09: Bing ist live (im wahrsten Sinne)

Nun ist es also so weit: Bing ist bereits seit dem Wochenende in Betrieb, sieht aber erst einmal nur aus wie die LiveSearch, nur mit zugekaufter Liste verwandter Suchvorgänge. Ob die Rankings wirklich überall gleich sind, sei mal dahingestellt (berkaq8scm). Als ich aber eben einen Blick auf die mobile Version unter m.bing.com geworfen habe, war ich doch angenehm überrascht: Eine übersichtliche Mobilfassung, die schon ein wenig mehr von dem anklingen lässt, was sich die Entscheidungsmaschine auf die Fahnen geschrieben hat. Das oben angesprochene Video ist jedenfalls nach wie vor unter http://www.decisionengine.com zu finden; nur eben nicht mehr auf der Startseite verlinkt, seit die "FastFertig-Fassung" online ist.

Hat Dir der Beitrag geholfen?

Dann freue ich mich, wenn Du ihn mit anderen teilst! Wenn Du magst, gib einen aus ;)

© 2001 - 2024 Markus Baersch